Montag, 26. September 2011

Usbekistan...


Usbekistan ... in betont lässiger Pose...


Nach dem Spurt durch die turkmenische Wüste freuen wir uns auf das neue Land und besonders darauf, das Leben, die Menschen und vor allem die Kultur, die reichlich vorhanden zu sein scheint, etwas intensiver aufnehmen zu dürfen. Der Vorteil der neuen Route liegt vor allem darin, dass ich völlig unbefangen und ahnungslos in die Länder einreise... Jedes neue Land ist wie eine neue Welt, es kribbelt bei jeder Grenze aufs Neue. Dafür nimmt man auch die etwas mühsamen Zollkontrollen in Kauf. Mit großer Überraschung erfahre ich, dass Usbekistan eine wirkliche Perle der Seidenstraße ist. Besonders unsere ersten Destinationen Bukhara und Samarkand sind Zeugen des Jahrhunderte alten Treibens der Händler und konnten sogar die kulturelle Gleichmachung von Stiefmutter Moskau überleben. In der kargen Wüstenlandschaft muten diese Orte wie Oasen des Lebens und der Ruhe an. In Bukhara treffen wir Marchet und Simon, zwei weitere schweizer Radler, mit denen ich bereits im Iran einige Abenteuer erleben durfte. Spontan beschließen wir, dieses Land gemeinsam zu erkunden. Darüber, dass wir nun zu 6st sind, wundere ich mich gar nicht mehr und weiß die überaus gute Gesellschaft zu schätzen. Es werden sicher auch wieder andere Zeiten kommen... Das nächtliche Lager, welches stark an ein Pfadfinderlager für große Kinder erinnert, ist auch von den Einheimischen immer gut besucht. Diese sind sehr offensiv, interessiert und stören sich gar nicht daran, dass unser Russisch nur ganz schwach bis gar nicht vorhanden ist. Jeder Dialog beginnt mit dem obligatorischen zweihändigen Sandwich-Handschlag.  Sobald das Stichwort Deutschland fällt, hat man das Gefühl, das Lächeln des Gegenüber weitet sich, bis man auch die hintersten vergoldeten Backenzähne sehen kann. Der Grund dafür liegt darin, dass viele Usbeken ihren Wehrdienst in der DDR verbringen durften. Der Wortschatz beschränkt sich jedoch meist auf Phrasen wie: "Halt zurück oder ich schieße" und errinnert daran, dass in Deutschland vor gar nicht all zu langer Zeit auch noch ein anderer Wind wehte. Da es wirklich etwas zu sehen gibt, entscheiden wir uns, ein wenig Zeit in den Städten zu verbringen. Da Usbekistan in touristischen Kreisen scheinbar noch nicht so bekannt ist, bekommt man für ein paar Dollar einen guten Schlafplatz in einem der zahlreichen Guesthouses. So sitzt man beim Frühstück in den teilweise über hundert Jahre alten Innenhöfen aus der jüdischen Epoche und kann sich wahrlich vorstellen, wie erholsam die Pause damals für die Händlerkarawanen gewesen sein muss. Da auch die modernen Karawanen einen Zeitplan haben, fahren wir weiter in Richtung Hauptstadt. Tashkent lässt sich als typische Hauptstadt beschreiben und dient mit allen Vor- und Nachteilen dazu, die Visa für Kirgistan und China zu ergattern. Besonders das chinesische Visum entpuppt sich für Veloreisende als echte Herausforderung  und ist nach der ersten Ablehnung nur durch Trickserei zu bekommen. Auch für das Peloton heißt es Abschied nehmen von Menschen, die auf der Reise meine Freunde geworden sind. Marchet und Simon kehren nach 7000km in die Schweiz zurück, Sam und Jules drehen eine Extrarunde durch Kirgistan und übrig bleiben Sebastian und meine Wenigkeit, die relativ direkt nach China müssen, um noch vor dem Winteranfang (Oktober) über den Himalaya nach Indien zu kommen.


freundliche Gesichter...
die Polizei...
von außen....
von innen...



Dienstag, 20. September 2011

hello & goodbye Turkmenistan...

Sallam Turkmenistan

Die "neue" Route durch Zentral-Asien führt als erstes nach Turkmenistan. Die ehemalige Sowjet-Nation liegt nördlich der iranischen Grenze am Kaspischen Meer und war mir vor meiner Einreise überaus unbekannt. Die Visumbeschaffung verlief relativ entspannt, wenn man einmal davon absieht, dass man als Reisender nur das 5- (manch einer sogar nur das 3-) Tage Transitvisum bekommt. Auf der anderen Seite der Gleichung stehen 500 Wüstenkilometer auf schlechten Straßen. Bewaffnet mit Optimismus und Naivität lässt sich sagen, dass das schon möglich ist und auf der Landkarte gar nicht mal soo heiß anmutet. Zuerst dachte ich, es sei schon ziemlich unfair, nur so kurze Zeit bleiben zu dürfen... aus heutiger Sicht sei jedoch gesagt, dass es auch nicht wirklich viel mehr zu sehen gibt. Die Landschaft ist flach, sandig und karg - Wüste eben. In den Städten im Sowjet-Stil finden sich riesige, breite Straßen, die hier und da von protzigen Regierungsgebäuden oder Monumenten aus vergangenen Tagen gespickt sind. Da Gas und Öl im Überfluss existieren und für die ehemaligen Genossen so gut wie umsonst sind, drehen sich dem aufgeklärten Europäer auch in Turkmenistan beim allgemeinen Umgang mit Ressourcen die Augen. Mitreisende haben gar erlebt, dass der Gasherd - mit der Begründung, die Streichhölzer seien gerade aus - die Nacht über brennen gelassen wird. Öl und Gas sind zwar in der heutigen Zeit ein Garant dafür, dass der Rubel rollt, aber nicht immer ein Segen für die Umwelt.

Da Zentralasien eine Art Nadelöhr der Seidenstraße ist, trifft man eigentlich ständig irgendwen, dessen Route sich mit der eigenen deckt. Zu meinem Glück darf ich auf den treuen Windschatten und guten Humor meiner schweizer Freunde Jules und Sam zurückgreifen. Um die Quote zu heben, begleitet uns außerdem der bärtige Sebastian aus Unterfranken, der auf dem Weg nach Australien ist und sich bis zu seiner Ankunft in Sidney den Bart wachsen lassen will. Nach kurzer Zeit wird dann auch klar, dass der Iran im Spiel mit den Temperaturen bloß die Aufwärmrunde war. Unter Regie der turkmenischen Wüstensonne klettert das Quecksilber täglich in den unbeschrifteten Bereich meines Taschenthermometers ...die letzte Zahl ist 50... Auch die Nächte bleiben weiterhin warm. Sobald das Licht ausgeht und in der Himmelsmanege die Lampen angehen, kommen die interessantesten Zeitgenossen aus ihren Behausungen unter der Erde. Riesige Kellerasseln mit wilden Frisuren, kleine Skorpione und Ameisen aller Größenordnungen beginnen emsig ihr Handwerk. Der "gute" Radler liegt dann allerdings schon längst im Bett und träumt von Rückenwind, Kohlenhydraten und neuen Abenteuern. 150km vor der Grenze - mit noch einem Tag Rest-Visa und gebrochener Pedalachse im schweizer Lager - beenden wir solidarisch unseren Wüstenritt und lassen uns von zwei Militärtrucks bis Turkmenabad shutteln. Anfangs ein wenig geknickt über das jähe Ende unseres Unterfangens sind wir dann aber doch froh, wieder Bäume zu sehen. Unsere LKW-Fahrer sind ähnlich wie das turkmenische Volk: nett und auf eine angenehm zurückhaltende Art überaus gastfreundlich.



Das Team...

Die Straße...

Die Stromversorgung...

Die Beschilderung...




Montag, 12. September 2011

Résumé Iran...



Nun gut ... der Aufenthalt im Iran - dem im Vorfeld aufregendsten Land meiner Reise - ist aufgrund der Routenänderung früher beendet als ursprünglich geplant. Es fällt mir extrem schwer, ein persönliches Credo über dieses Land zu geben. Einerseits bin ich schwer beeindruckt von den ausschließlich positiven zwischenmenschlichen Kontakten zur Bevölkerung und der überaus reichhaltigen Kultur und Schönheit Persiens. Auf der anderen Seite stehen aber die mittelalterliche Weltanschauung und die Gesetze der politischen Führung, die jedem aufgeklärten, denkenden Menschen bitter aufstoßen. Für mich war der Aufenthalt im Iran - und eigentlich die bisherige Reise - eine prima Gelegenheit, um über Werte wie Freiheit und Selbstbestimmung nachzudenken. Dass diese Selbstverständlichkeiten der eigentliche Reichtum "unserer" Welt sind, lernt man am besten, wenn sie einem (... Gott sei Dank nur temporär...) entzogen werden.
 Laut dem Internet sagte Theodor Fontane einmal über das Reisen : 

"Erst die Fremde lehrt uns, was wir an der Heimat haben"

Ein ebenfalls neues Gefühl dieser Kategorie ist ein leichter Anflug von "Patriotismus". Ich würde nicht so weit gehen zu behaupten, stolz auf meine Herkunft zu sein, kann aber nicht bestreiten, dass ich es sehr zu schätzen weiß, in Deutschland leben zu dürfen. Glücklich bin ich auch darüber, dass meine europäische Persönlickheit von nun an vielleicht um eine Nuance persischer Gastfreundschaft bereichert wurde.

Obacht: kein Grund Angst zu haben
Da der Iran häufig als gefährlich dargestellt wird, möchte ich abschließend kurz festhalten, dass ich mich zu keinem Zeitpunkt meiner Reise unsicher oder gefährdet gefühlt habe ( ...selbst bei der Polizei geht es verhältnissmäßig lustig zu). Sicherheitsgegenstände, wie das Fahrradschloss, verkommen - ähnlich wie die Angst, vom angeblich fanatischen Islamisten missioniert zu werden - zum exotischen Relikt aus den Tagen in Europa und lässt Vertrauen in das Positive in der Welt schöpfen. Ein durchaus schnulziges aber für mich wahres Ende....














Samstag, 3. September 2011

Iran 2.0...

...endlich: das perfekt getarnte Zelt
unbekannter Reiter im Grenzgebirge...


... nach nur 9 Tagen auf iranischen Straßen erreiche ich Teheran etwas früher als erwartet - ziemlich genau bei Kilometer 5000. Bis dahin lässt sich sagen, dass der Iran bis auf die erwähnte Gastfreundschaft nicht unbedingt ein Paradies für Radtouristen ist. Die Straßen sind allgemein in einem ordentlichen Zustand, jedoch hauptsächlich von schwergewichtigen Fahrzeugen über 3,5 Tonnen befahren. Es scheint, als wäre es geradezu schick, einen LKW zu fahren... Dementsprechend hängt ständig ein leichter Abgasdunst in der Luft, dessen Konzentration nur durch den konstanten Gegenwind etwas atemgerechter wird. Nach gut zwei Wochen im Wind wird meine 100km Routine eines Vormittags durch einen heftigen Orkan unterbrochen und ich fahre - beflügelt von Regen und Rückenwind - unglaubliche 185 Kilometer. Die 200km-Marke fest im Blick muss ich mich dann doch den zahlreichen Blitzen, die links und rechts der Straße einschlagen, ergeben und verbringe eine adrenalinreiche Nacht im stillgelegten Abwasserkanal.
In Teheran angekommen, mache ich mich gleich auf die Suche nach meinem Schlafplatz, den ich wieder einmal über das Couchsurfing-Netzwerk gefunden habe. Einige Stunden später sitze ich dann auch schon auf der Couch einer feudal eingerichteten Diplomatenwohnung... Das Leben meint es gut mit mir... Lustigerweise stehen meine schweizer Freunde Jules und Sam einige Tage später vor der gleichen Tür. Nach 2000km und 1-monatiger Trennung gibt es viel zu erzählen und ich freue mich sehr, die beiden wiederzusehen. Für die nächsten Tage steht "Klinken-Putzen" bei den Botschaften auf dem Programm, um die Visa für die weiteren Länder zu bekommen. Das Visageschäft ist ein Meisterstück der Bürokratie und verlangt neben unzähligen Dollars, Kilometern für Stempel und Unterschriften vor allem Geduld. Relativ bald wird mir klar, dass meine Route durch Süd-Pakistan momentan nicht realisierbar ist. Die Pakistaner verlangen ein Empfehlungsschreiben der deutschen Botschaft, welches aber nicht ausgestellt wird. Da man als Reisender lernt, sich auf häufig wechselnde Realitäten einzustellen, schmiede ich einen neuen Plan. Ab jetzt versuche ich über die Nordroute durch Turkmenistan, Usbekistan, Kirgisistan und China nach Indien zu gelangen. Neben ein paar Extra-Kilometern in der Horizont- als auch Vertikalen stehen nun also vier weitere Visa auf dem Programm. Um die Wartezeit für die Visa zu verkürzen, mache ich zahlreiche Ausflüge ins beeindruckende Isfahan und zum höchsten Vulkan Asiens, dem Damawand ... Beide Vorhaben sind jedoch nur von mäßigem Erfolg gekrönt. In Isfahan verbringe ich zwei Tage auf dem Polizeirevier, da scheinbar vergessen wurde, mir einen Einreisestempel zu geben. Nachdem ich in einem knallhart geführten Verhör recht schnell zu verstehen geben kann, dass dieser dünne und viel zu auffällige Junge aus "Germanistan" nicht gerade die neue Geheimwaffe westlicher Geheimdienste ist, werde ich auf ein weiteres Rendez-vous zum "office for foreign aliens" in Teheran geladen... Die Beamten dort sind wesentlich sympathischer, sprechen allerdings nur bedingt Englisch. Weitere drei Stunden später ist mein Pass dann tatsächlich um ein paar Farbklekse reicher und man versichert mir, dass ich nun völlig legal hier bin... Inschallah! Mittlerweile muss ich sagen, dass ich mich sehr darauf freue, weiter zu dürfen. Bei aller Schönheit und Gastfreundschaft, die mir hier von Seiten der Bevölkerung entgegengebracht wird, dominiert doch das Gefühl, von diesem "hässlichen" System eingeengt zu werden. Bei der Vorstellung, dass all diese Schikanen für die Menschen hier Alltag bedeuten, wechselt das Unwohlsein über meine Situation schnell in Mitleid für die Bevölkerung. Auch beim Konsum des Internet muss ich feststellen, dass Mahmut Machmalirgendwas und seine Schergen ganze Arbeit geleistet haben. Zum Schutz vor Angriffen gegen das System filtert die Regierung so ziemlich alle Möglichkeiten der freien Meinungsäußerung. So kommt es auch, dass ich gut einen Monat lang keinen Zugriff auf den Blog hatte. Mit jedem Tag in Teheran wächst der Unmut gegen die scheinheiligen Visagen der religiösen Führer um Ayatollah Khomeini, deren Abbildungen im Massstab 200:1 allgegenwärtig die Aussicht vermiesen. Da proportional zu Bargeld und den Resttagen im Visum auch meine Lust sinkt, länger in "Khomeinistan" zu verweilen, sehe ich mich gezwungen, die letzten Wüstenkilometer im Iran mit alternativen Verkehrsmitteln zurückzulegen.

... Romantik im Abwasserkanal

-wortlos glücklich-
Könige der Straße       (Quelle: Sam Anrig)