Montag, 29. August 2011

long time no see...

... dem aufmerksamen Beobachter wird wahrscheinlich nicht entgangen sein, dass die Pflege des Blogs ein wenig vernachlässigt wurde. Grund für dieses Versäumniss ist vor allem die Tatsache, dass die virtuelle Welt entweder stark zensiert (Iran) oder schlichtweg nicht vorhanden ist (Turkmenistan). Es sei jedoch gesagt, dass der Autor ein schlechtes Gewissen hat und darüber nachdenkt, beim nächsten Mal doch besser auf die analoge Variante der Flaschenpost zu setzen.

Da ja noch ausführliche Berichte folgen werden, möchte ich nicht mehr sagen als, dass es mir - abgesehen von ein paar kleinen Lapalien - gut geht und ich momentan in Gesellschaft von 4-6 anderen Fahrradfahrern fernab meiner eigentlichen Route eine wirklich gute Zeit habe. Bedanken möchte ich mich einmal mehr für jeden Kommentar, jeden Gruß und die große Begeisterung und Anteilnahme. Natürlich auch für die netten Geburtstagsgrüße aus allen möglichen Winkeln und Ecken. Den Jahrestag habe ich in bester Gesellschaft mit acht ungewaschenen Gleichgesinnten unter dem Sternenhimmel der usbekischen Steppe zugebracht und sehe es als das größte Geschenk an, vergessen zu dürfen, ob Montag, Sonntag oder Freitag ist.

Wenn auch das Internet nicht immer auf meiner Seite war, so konnte ich die Zwischenzeit jedoch nutzen, um die Postkarten der zweiten Etappe anzufertigen. Da mittlerweile 40 Postkarten zu ''schreiben''  sind, war ein handschriftliches Verfassen nur schwer möglich. Nach einiger Reifezeit in der turkmenischen Wüste werden die Karten morgen abgeschickt. Wahnsinnig gefreut habe ich mich auch über den Umstand, dass der Spendenstand mittlerweile die Dreistelligkeit (1400 Euro) erreicht hat. Ich sage dazu: Danke Freunde!
Damit ist nun auch Etappe 2 geschlossen. Es bleibt also noch zweimal die Möglichkeit einzusteigen....

aus Tashkent (Usbekistan) bei 40 Grad im Schatten...

philipp





looking forward....


Mittwoch, 24. August 2011

Iran 1.0 ...






Mount Ararat, der heilige Berg, bleibt unbestiegen ;-((
... kurz vor der Mittagshitze erreiche ich den Grenzübergang hinter Dogubayazit, dem Ausgangspunkt der Mount Araratexpeditionen. Seit sich dieser weiße Riese zum ersten Mal aus dem Dunst in mein Sichtfeld gezwängt hat, zieht er zu jedem Zeitpunkt die Aufmerksamkeit auf sich. Leider braucht man entweder das drei Monate vorher beantragte Visum oder die nötigen Dollars Schmiergeld, um die militärische Zone am Mount Ararat zu betreten. Da mir beides fehlt, muss ich mich damit begnügen, den Berg von unten (3000m) aus zu betrachten. Das mit den Dollars ist eine wichtige Angelegenheit, da für Freunde von Plastikgeld im Iran nichts zu holen ist. Das Handelsembargo, welches den gemeinen Iraner davon überzeugen soll, dass Atombomben nur für manche Länder "OK" sind, blockiert auch Transaktionen der großen Kreditkartenfirmen. Monetäre Güter müssen also in Cash mitgebracht werden. Lustigerweise ist die gängige Währung neben den stark inflationären Rials der gute alte  U.S. Dollar. ... Nun gut, was soll es denn ..., schließlich kommt ja auch das Öl, mit dem die amerikanischen Autos fahren, aus dem Iran.

Schon vor der Grenze fällt mir auf, dass es verflucht heiß ist. War eigentlich nicht anders zu erwarten.. wir haben ja schließlich Hochsommer... der Zeltplatz ist also immer mit Fussbodenheizung gebucht und das Wasser ständig im Begriff den Agregatzustand zu wechseln. Ungünstig ist vor allem, dass der erhöhte Wasserverbrauch (6-8L) mich gerade dort trifft, wo weit und breit kein Geschäft ist. In der wüstenähnlichen Landschaft, wird jedes Wasserloch zum Paradies und die Wasserentkeimung wird zur Routine - der Geschmack bleibt jedoch schäbig. Nach einem Stop in der Stadt Tabriz und einer Nacht im Hotel (keine Dusche, dafür aber touristenfressende Milben im Bett) habe ich dann doch Durchfall und das erwähnte Paradies würde nun - neben fließend Wasser - auch um Klopapier und  Sichtschutz in Abständen von 5km erweitert werden. In der Not heißt es also: Improvisieren! Neben diesen körperlichen Neuigkeiten, die dem ein oder anderen vielleicht etwas zu viel Information beinhalten, gilt es natürlich auch, von einer neuen Mentalität zu berichten.

Neues Land neues Spiel... Die Einreise in eines der umstrittensten Länder dieser Erde löst auch bei mir einen Anflug von Nervosität aus. Ich rufe schnell alle Vorurteile ab und stelle mir in höchst populistischer Art und Weise die Frage, was mir in einem Land begegnen wird, dessen Regime den Holocaust leugnet, auch 2011 noch nach nuklearem, zivilem und militärischem Fortschritt lechzt und Menschenrechte oder wahlweise brennende amerikanische Flaggen mit Füßen tritt. Neben einem veralteten, enorm bürokratisierten und totalitären System, das unter dem Deckmantel der Religion politische Ziele durchprügelt, findet man, wie könnte es anders sein, herzensgute Menschen, die jedem Ausländer ein Lächeln und reges Interesse schenken. Es sind wildfremde Gesichter, die einem im Vorbeifahren kiloweise Früchte zustecken oder bereitwillig den Platz in ihrer Stube mit einem schmutzigen Unbekannten teilen - also schlichtweg alles dafür tun, damit man sich als Gast wohlfühlt. Diese - für mich bislang nur aus dem Freundes- oder Familienkreis erfahrene - Nächstenliebe ist überwältigend und macht das Reisen im Iran zu einem ganz besonderen Erlebnis. Völlig gerührt von so viel uneigenützigem Handeln mischt sich unter der Sonnenbrille die ein oder andere Freudenträne mit dem hart erarbeiteten Schweiß des Tages. Weinen könnte man allerdings auch, wenn man sieht, in welche Schizophronie die Menschen hier gedrängt werden. Da so ziemlich alles, was Spaß macht, illegal ist, findet das Leben hauptsächlich zuhause statt. Dafür dann aber umso intensiver und manchmal selbst für europäische Verhältnisse ziemlich wild. Doch dazu später mehr...


résumé Türkei...

Anhand meiner Darstellungen der letzten eineinhalb Monate ist unschwer zu erkennen, dass ich die Türkei mag. Ab und zu wage ich es jedoch auch die rosa Brille, die man mir ununterbrochen aufsetzen will, abzulegen und schaue kurz hinter die Kulissen. So frage ich mich häufig, wo denn bei all den netten Onkels und Brüdern eigentlich die ganzen Schwestern und Tanten sind. Mir fehlt der soziale Kontakt zur weiblichen Bevölkerung, der meiner Meinung nach die Gesellschaft soviel reicher macht. Die Frauen, die man trifft, sind starke und aufgeklärte Persönlichkeiten, die man eher zufällig und äußerst selten trifft. Aber es gibt sie und vielleicht brauchen Werte wie Emanzipation neben starken weiblichen Persönlichkeiten in der Öffentlichkeit auch ein wenig Zeit. Was jedoch de facto nicht vorhanden und völlig indiskutabel ist, ist der Umgang mit Müll. Wer mich kennt, weiß, dass ich alles andere als ein Ordnungsfreak bin. Aber wenn man sieht, wie unreflektiert hier mit Müll umgegangen wird, ist das schon sehr sehr traurig.

Auch die hohe Militärpräsenz passt nicht nur nicht in mein pazifistisches Weltbild. Die Jugendlichen, die ich treffe, beklagen sich über die Gehirnwäsche und die schlechte und doch so vergeudete Zeit des Pflichtmilitärdienstes. Oft frage ich mich dann, ob die hohen Stacheldrahtmauern mit den schwerbewaffneten  Soldaten hinter Sandsäcken vielleicht eher dem Zweck dienen, die Leute, die drinnen sind, vor dem Rausgehen zu hindern, als Fremde daran, die Basis zu betreten. Trotzdem finde ich die Türkei - oder den Teil, den ich sehen durfte - wirklich empfehlenswert und bin mir sicher zurückzukehren.



Die Hosentaschen voller Dollars befinde ich mich auf den letzten Metern vor der iranischen Grenze und reflektiere noch einmal kurz die letzten sechs Wochen in der Türkei. Ich muss sagen, dass ich wirklich tief beeindruckt bin von diesem imposanten Land und den Menschen, die ich treffen durfte. Es sind zu viele kleine Geschichten und zu viele Menschen, um hier alle zu erwähnen. Allerdings sieht man durchaus auch Missstände, wenn man die rosa Brille des verliebten Reisenden mal ablegt.

Samstag, 6. August 2011

goodbye Turkey...


Brücken statt Schranken



Alpe d'huez für Fortgeschrittene

... Bildunterschrift hinzufügen ...




... glücklich über die ungewohnt unbürokratische Beschaffung des Iranvisum, heißt es nach über 1000km Küstenstraßen und einem Anflug von Seekrankheit nun <Goodbye Schwarzmeer>. Vom touristischen Teil der Türkei, gelangt man Richtung Osten über zwei hohe Bergketten auf ein 2000 Meter hohes Plateau und erreicht den Teil der Türkei, der es eher selten in die Hochglanzprospekte schafft. Hinter vorgehaltener Hand hört man immer häufiger: Kurdistan... eine nach Unabhängikeit strebende Provinz in der Osttürkei, über die sich seit Jahren die Geister scheiden. Für die türkischen Kurden ein Traum, für den Rest der Türkei eher das unliebsame Kind, für mich einmal mehr der Beweis, dass auch bei den Osmanen in puncto Integration ethnischer Minderheiten keine Wunder passieren. Wenn man jedoch über den Tellerrand der politischen Machtspiele und der durchweg schlechten Publicity für diese Provinz absieht, findet man dort eine unbeschreiblich schöne Landschaft und herzensgute Menschen. Es gibt so viele Geschichten und Momente voll heller Freude und Endorphin-Überschuss, aber auch äußerst schmerzhafte und traurige Momente, die ich gerne mit euch teilen würde, die jedoch den Rahmen dessen, was in einem Reiseblog stehen sollte, sprengen würden. Gerade wenn man alleine reist, erfährt man die Wallungen des Lebens - außen wie innen -  in allen Facetten zur Gänze für sich alleine. Man bekommt ein Gefühl für sein Umfeld, und den eigenen Platz in unserem großen Theaterstück. In kleinen Schritten nähert man sich dem Bereich, der bis dato verborgen war und registriert die physichen und mentalen Grenzen, um dann am Ende des Tages  festzustellen, dass man ein kleines Stück gewachsen ist. Wie man den Faden nicht verliert, lernt man hier allerdings auch nicht... und so komme ich zurück zu dem, was man so auf der Straße trifft! Der Weg bleibt mühsam. Die zu Beginn schlechten Passstraßen werden in der Ebene durch 1a Gegenwind ergänzt, der wahlweise von vorne/vorne, vorne/rechts oder vorne/links kommt. An manchen Tagen krieche ich mehrere Stunden mit unter 10km/h durch die Pampa. So bleibt zumindest mehr Zeit, die wunderbare Natur jenseits der Straße wahrzunehmen. Schroffe Felswände ragen aus samtweichen grünen Konturen empor. Das bunte Treiben in Grün- und Gelbtönen wird hier und da von Schafherden durchbrochen, die stets gut bewacht von 1-2 Hunden ihr Dasein fristen. Die Hunde sollen hier kurz Erwähnung finden, da sie auf meiner Reise ein ständiger Begleiter sind. Prinzipiell sei gesagt, dass sich mir - neben den zahlreichen Ängsten, die die Menschen so im Gepäck tragen - besonders oft die Angst vor Tieren offenbart. Immer wieder treffe ich Leute, die mit Pfefferspray und Knüppeln im Anschlag auf alles losgehen, was dort am Wegesrand rumlungert. Bei mir rufen diese verwahrlosten Tiere meistens eher Mitleid als Aggression hervor. Vom verfilzten Wollknäuel, das eher an eine laufende Achselhöhle als an einen Hund erinnert, ist bis hin zum hüfthohen Shepherd-Dog mit Stachelhalsband und dekupierten Ohren alles dabei. Getreu dem Motto: Hunde, die bellen beißen nicht, passiert mir auch nichts. Bestreiten kann ich jedoch nicht, dass sich auch meine Trittfrequenz erhöht, sobald ich in der Schafherde das Schaf mit dem langen Schwanz und dem Stachelhalsband erkenne.



eines der zahlreichen (S)Passfotos