 |
...endlich: das perfekt getarnte Zelt |
 |
unbekannter Reiter im Grenzgebirge... |
|
|
... nach nur 9 Tagen auf iranischen Straßen erreiche ich Teheran etwas früher als erwartet - ziemlich genau bei Kilometer 5000. Bis dahin lässt sich sagen, dass der Iran bis auf die erwähnte Gastfreundschaft nicht unbedingt ein Paradies für Radtouristen ist. Die Straßen sind allgemein in einem ordentlichen Zustand, jedoch hauptsächlich von schwergewichtigen Fahrzeugen über 3,5 Tonnen befahren. Es scheint, als wäre es geradezu schick, einen LKW zu fahren... Dementsprechend hängt ständig ein leichter Abgasdunst in der Luft, dessen Konzentration nur durch den konstanten Gegenwind etwas atemgerechter wird. Nach gut zwei Wochen im Wind wird meine 100km Routine eines Vormittags durch einen heftigen Orkan unterbrochen und ich fahre - beflügelt von Regen und Rückenwind - unglaubliche 185 Kilometer. Die 200km-Marke fest im Blick muss ich mich dann doch den zahlreichen Blitzen, die links und rechts der Straße einschlagen, ergeben und verbringe eine adrenalinreiche Nacht im stillgelegten Abwasserkanal.
In Teheran angekommen, mache ich mich gleich auf die Suche nach meinem Schlafplatz, den ich wieder einmal über das Couchsurfing-Netzwerk gefunden habe. Einige Stunden später sitze ich dann auch schon auf der Couch einer feudal eingerichteten Diplomatenwohnung... Das Leben meint es gut mit mir... Lustigerweise stehen meine schweizer Freunde Jules und Sam einige Tage später vor der gleichen Tür. Nach 2000km und 1-monatiger Trennung gibt es viel zu erzählen und ich freue mich sehr, die beiden wiederzusehen. Für die nächsten Tage steht "Klinken-Putzen" bei den Botschaften auf dem Programm, um die Visa für die weiteren Länder zu bekommen. Das Visageschäft ist ein Meisterstück der Bürokratie und verlangt neben unzähligen Dollars, Kilometern für Stempel und Unterschriften vor allem Geduld. Relativ bald wird mir klar, dass meine Route durch Süd-Pakistan momentan nicht realisierbar ist. Die Pakistaner verlangen ein Empfehlungsschreiben der deutschen Botschaft, welches aber nicht ausgestellt wird. Da man als Reisender lernt, sich auf häufig wechselnde Realitäten einzustellen, schmiede ich einen neuen Plan. Ab jetzt versuche ich über die Nordroute durch Turkmenistan, Usbekistan, Kirgisistan und China nach Indien zu gelangen. Neben ein paar Extra-Kilometern in der Horizont- als auch Vertikalen stehen nun also vier weitere Visa auf dem Programm. Um die Wartezeit für die Visa zu verkürzen, mache ich zahlreiche Ausflüge ins beeindruckende Isfahan und zum höchsten Vulkan Asiens, dem Damawand ... Beide Vorhaben sind jedoch nur von mäßigem Erfolg gekrönt. In Isfahan verbringe ich zwei Tage auf dem Polizeirevier, da scheinbar vergessen wurde, mir einen Einreisestempel zu geben. Nachdem ich in einem knallhart geführten Verhör recht schnell zu verstehen geben kann, dass dieser dünne und viel zu auffällige Junge aus "Germanistan" nicht gerade die neue Geheimwaffe westlicher Geheimdienste ist, werde ich auf ein weiteres Rendez-vous zum "office for foreign aliens" in Teheran geladen... Die Beamten dort sind wesentlich sympathischer, sprechen allerdings nur bedingt Englisch. Weitere drei Stunden später ist mein Pass dann tatsächlich um ein paar Farbklekse reicher und man versichert mir, dass ich nun völlig legal hier bin... Inschallah! Mittlerweile muss ich sagen, dass ich mich sehr darauf freue, weiter zu dürfen. Bei aller Schönheit und Gastfreundschaft, die mir hier von Seiten der Bevölkerung entgegengebracht wird, dominiert doch das Gefühl, von diesem "hässlichen" System eingeengt zu werden. Bei der Vorstellung, dass all diese Schikanen für die Menschen hier Alltag bedeuten, wechselt das Unwohlsein über meine Situation schnell in Mitleid für die Bevölkerung. Auch beim Konsum des Internet muss ich feststellen, dass Mahmut Machmalirgendwas und seine Schergen ganze Arbeit geleistet haben. Zum Schutz vor Angriffen gegen das System filtert die Regierung so ziemlich alle Möglichkeiten der freien Meinungsäußerung. So kommt es auch, dass ich gut einen Monat lang keinen Zugriff auf den Blog hatte. Mit jedem Tag in Teheran wächst der Unmut gegen die scheinheiligen Visagen der religiösen Führer um Ayatollah Khomeini, deren Abbildungen im Massstab 200:1 allgegenwärtig die Aussicht vermiesen. Da proportional zu Bargeld und den Resttagen im Visum auch meine Lust sinkt, länger in "Khomeinistan" zu verweilen, sehe ich mich gezwungen, die letzten Wüstenkilometer im Iran mit alternativen Verkehrsmitteln zurückzulegen.
 |
... Romantik im Abwasserkanal |
|
|
 |
-wortlos glücklich- |
 |
Könige der Straße (Quelle: Sam Anrig) |